Okay, das Bild zeigt zweirädrige Gefährte und kein vierbeiniges Pferd, aber ihr ahnt, was ich meine: Das Rennen ist aus und vorbei, von einem toten Pferd darf man getrost absteigen. Worum es überhaupt geht? Vordergründig um den Film über den jungen Häuptling Winnetou. Und den anschließenden Streit um den Rückzug der Bücher dazu.
Darüber ist viel geschrieben und gestritten worden. Normalerweise sehe ich mir so ein Rauschen lieber aus der Ferne an, statt mich einzumischen. In diesem Fall ist das anders. Den jungen Häuptling Winnetou kenne ich nicht. Aber ich habe in meiner Kindheit (oder war es mehr die frühe Jugend? Beides liegt sehr lange zurück!) Karl May gerne und viel gelesen. Vor allem die Bücher, die in der arabischen Welt spielten, faszinierten mich. Mit anderen Worten: Hätte ich nie Karl May gelesen, hätte ich nie Arabistik studiert und nie Arabisch gelernt.
Die Ernüchterung kam noch während der Studienzeit. Die arabische Sprache ist großartig, klangvoll und schwer zu lernen: Nach einem Semester waren wir noch zwei Lernwillige. Das erhöhte nur die Faszination, die die Sprache auf mich ausübt. Das böse Erwachen lauerte an einer ganz anderen Stelle: Spaßeshalber griff ich noch einmal zu einem Karl-May-Band – und war entsetzt. Diesen schwülstigen Schwachsinn hatte ich einmal gerne gelesen? Karl Mays Werke verschwanden dort, wohin sie gehören: im tiefen Schlaf der Vergangenheit.
Die Welt hat sich geändert und mit ihr mein Weltbild und mein Lesegeschmack. Ich möchte nach vorne schauen in eine inklusive Welt, in der die Menschen auf Augenhöhe sind, und wünsche meinen Enkelkindern Filme und Bücher, die zu unserer jetzigen Lebenswelt passen. Aus einem überholten Konzept Kohle machen zu wollen, ist kein guter Plan.
Nicht, dass ich in dieser Richtung irgendetwas zu melden hätte. Abgesehen von dem Geständnis, dass ich einst in jungen Jahren, mit 11 oder 12, für Winnetoudarsteller Pierre Brice so sehr schwärmte, dass ich mir sein Bild an die Wand hängte. Als ich älter wurde, verschwanden die Winnetoubilder und -filme in der Versenkung. Dort dürfen sie gerne bleiben.
Befremdlich finde ich, wenn sich Menschen, die jünger sind als ich, darüber ereifern, dass die Filme angeblich nicht mehr im TV gezeigt werden sollen. Seufz. Stimmt erstens nicht u zweitens darf im Jahr 2022 mal was anderes auf dem Programm stehen. Glücklicherweise weiß das die Zielgruppe des jungen Winnetou sowieso und sieht sich lieber andere Filme an.
Wenn sich jemand genauer über die Hintergründe des Pseudo-Winnetou-Shitstorms informieren möchte, empfehle ich den Beitrag von Wolfgang Tischler im Literaturcafé
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